13. November 2023
Tanzen – Schlaganfall-Prävention und -Rehabilitation

Lesezeit ca. 8 Minuten

Eine besondere Vielzahl von Symptomen, darunter plötzliche Schwäche oder Lähmung auf einer Körperseite, Sprach- und Sprachverständnisprobleme, Sehstörungen, Koordinationsverlust und starke Kopfschmerzen sind für Menschen mit einem Schlaganfall nicht nur im Akutfall, sondern auch langfristig eine massive Einschränkung ihrer Gesundheit und dadurch auch ihrer Lebensqualität.

Uns allen ist sicher bewusst, dass eine rasche Erkennung und folgende Behandlung die Auswirkungen eines Schlaganfalles massiv reduzieren kann. Ist es jedoch schon passiert, dann ist eine Rehabilitation unumgänglich und diese wird, je nach Schwere, in unterschiedlicher Art und Weise erfolgen.

Doch welche Rolle spielt nun Tanzen bei der Rehabilitation von Schlaganfallpatient:innen? Ähnlich wie bei Demenzerkrankungen fördern wir im Tanzunterricht unter anderem besonders wichtige Faktoren bei der Genesung:

  • Regelmäßige Bewegung
  • Verbesserung der Körperhaltung
  • Gleichgewichts- und Reaktionstraining
  • Verspannungslösung
  • Auflösung unangemessener Bewegungsmuster
  • Steigerung des Lebensgefühls
  • Soziale Interaktion
  • Eventuelle Steigerung der Selbstheilungskräfte
  • Glücksgefühle bei Erreichen von (kleinen) Zielen
  • Spaßfaktor
  • Synchronisation von Herzschlag, Atmung und Blutdruck in Zusammenhang mit der gespielten Musik und erfolgten körperlichen Bewegung
  • Unterstützung beim (Wieder-)Aufbau von neuronalen Netzen

Die gesundheitsfördernde Wirkung (siehe vorhergehender Artikel) tänzerischer Aktivität ist länglich durch bereits zahlreiche Studien belegt worden. Und es werden jährlich mehr Untersuchungen, die deutlich zeigen, dass die koordinierte Bewegung zur Musik auch der Prävention von gesundheitlichen Problemen führt – egal ob Paar- oder Einzeltanz.

Musik – Der Faktor, der die Struktur des Gehirns verändert

Wie gesagt ist nach einem Schlaganfall die Rehabilitation (vlg. Reha) wichtig. In der Reha wird die Neuroplastizität des Gehirns genutzt, was bedeutet, dass Nervenzellen in der Lage sind, sich neu miteinander zu vernetzen und Aufgaben von betroffenen Regionen auf gesunde Hirnareale zu übertragen. Dies geschieht durch in der Regel durch physiotherapeutische Maßnahmen und auch durch Musik.

Die Verarbeitung musikalischer Rhythmen spielte in der menschlichen Evolution eine entscheidende Rolle, da sie unsere kognitiven, motorischen und sozialen Fähigkeiten beeinflusste. Musik ermöglichte die Entwicklung von Sprache, Mitgefühl und koordinierten Bewegungen, da sie die Vernetzung von Gehirnzellen über verschiedene Hirnareale förderte.

Studien haben gezeigt, dass regelmäßiges Musizieren zu Veränderungen im Gehirn führen kann, wie dickere Nervenfasern und eine effizientere Organisation der motorischen Hirnareale. Musiktherapie nach einem Schlaganfall kann hilfreich sein, besonders wenn sie frühzeitig begonnen wird. Sie fördert langfristige neuroplastische Veränderungen, die dazu beitragen können, verlorene Funktionen wiederherzustellen. Die Chance auf eine erfolgreiche Neuverschaltung ist jedoch geringer, wenn die betroffenen Hirnareale weit voneinander entfernt sind.

Wird nun Musik mit Bewegung zusammengeführt, dann ergibt sich ein weit breiteres Spektrum an Möglichkeiten für die Reha.

Vermeidung durch Prävention

Das Schlagwort lautet auf jeden Fall „Prävention“. Jegliche Art von Bewegung insb. in Form einer koordinativen Tätigkeit ist ein unumstrittener Faktor die Risiken von gesundheitlichen Einschränkungen zu reduzieren. Die Kombination eines nachhaltigen Lebensstiles mit ausgewogener Ernährung und einer regelmäßigen körperlichen Aktivität kann bei vielen Beschwerden und Leiden als auch bei Zivilisationskrankheiten vorbeugend wirken. Im Jahr 2018 forderten u.a. die Wiener Ärztekammer und die WKW eine effektive Präventionsarbeit zur Senkung der Behandlungskosten von Krankheiten, deren Ursache in mangelnder körperlicher Aktivität zu suchen sind.

Meine Angebote sehe ich daher auch im Interesse einer begleitenden Initiative zur Entlastung unseres Gesundheitssystems, das uns bei gleichbleibender Gebarung früher oder später sprichwörtlich um die Ohren fliegen kann.

Life-Long-Learning

Das regelmäßige Bewegen zur Musik ist eine Art des Life-Long-Learning. Es ist für mich so zu verstehen, dass wir uns zwar Bewegungsmuster in jungen Jahren eintrainieren, sie durch konstante Anwendung auch automatisieren, diese aber auch verkümmern können, wenn sie nicht regelmäßig angewandt werden.

Es kommt auch vor, dass man bestimmte Abläufe, die man eventuell vor Jahren erlernt hat durch verminderte und Jahre zurückliegende Anwendung falsch abgespeichert hat. In meiner langjährigen Praxis ist mir bei manchen älteren Paaren aufgefallen, dass diese einzelne Tanzfiguren bzw. -folgen, die seit deren Tanzschulalter in gleicher Weise unterrichtet wurden, in einer anderen Weise rekapituliert haben. Sie waren auch der festen Überzeugung, dass sie diese Figuren damals genauso gelernt hatten und eben nicht wie lt. unseren Lehrbüchern.

Das Rekapitulieren bestimmter Bewegungsmuster dient also nicht nur dem Training für ein bestimmtes Ziel wie z.B. einer Prüfung, einer Showeinlage, etc. es hilft uns auch in späteren Jahren das bereits Erlernte als Basis für Neues bzw. Variationen des vorhandenen Wissens heranzuziehen.

Muskelgedächtnis – auch beim Tanzen

Wie auch in vielen Sportarten gibt es also auch beim Tanzen ein sog. Muskelgedächtnis, das bei regelmäßigem Gebrauch der Figuren und Schritte zu einer Art Automatismus führt. Bemerkbar wird das schon in Jugendtanzkursen, wenn ich eine bestimmte Figurenfolge unterrichtet habe und nach einiger Zeit eine Abwandlung mit einer komplett konträr verlaufenden Bewegung ins Programm aufgenommen habe.

Die längere Zeit so getanzte Folge hat für die meisten Tanzpaare zu einer automatischen Ausführung bestimmter Figuren, über die sie generell nicht mehr nachdachten, geführt. Die Variation bzw. das Hinzufügen einer weiteren Figur innerhalb dieser bereits im Muskelgedächtnis abgespeicherten Folge war dann für die meisten Paare mehr als nur eine Herausforderung. Durch regelmäßiges Variieren der Folgen, indem ich die Figuren auch unterschiedlich anordnete, haben die Paare schlussendlich die Figuren auch auf „Abruf“ einzeln tanzen können.

Die Paare bzw. die jungen Damen und Herren wurden somit darauf (positiv) konditioniert, das bereits Erlernte in unterschiedlicher Art und Anordnung anzuwenden und somit auch der Situation angepasst zu tanzen. Das ist auch eine Notwendigkeit des in unserem Sprachgebrauch so genannten „Gesellschaftstanzes“, bei dem man die Tanzfläche mit vielen anderen Paaren teilt.

Ist das ein Nutzen für die Reha?

Genau das kann man meiner Ansicht nach auch als Nutzen für die Rehabilitation sehen. Hat also ein Schlaganfallpatient früher schon einmal getanzt, dann könnte das Muskelgedächtnis ein wertvoller Assistent bei der Genesung sein und zu raschen Erfolgen führen. Das Trainieren bestimmter (vielleicht schon bekannter) Bewegungsabläufe gemeinsam mit Musik lässt erhoffen, dass durch eventuell schnelle Erfolgserlebnisse auch der Genesungsprozess stark verkürzt werden könnte.

Aber auch für Personen, die in ihrem Leben noch nie einen Tanzkurs besucht haben steht  das Training von Tanzschritten als Rehabilitationsmittel in einem sehr positiven Licht. Denn wir wissen ja schon von einigen Studien, dass Tanzen die Hirnleistung verbessert.

Sowohl bei professionellen Tänzern als auch bei Hobbytänzern haben sich bestimmte Areale im Gehirn verbessert. Vor allem jene für motorische Fähigkeiten. Außerdem ergaben weitere Studien, dass sich Gesellschaftstanz auf die sogenannte neuronale Plastizität – also die Erweiterung der Anzahl an Hirnzellen – vorteilhaft auswirkt.

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